Abwahl vom AfD-Stadtrat gescheitert. Wir erklären die Hintergründe.

Abwahl vom AfD-Stadtrat gescheitert. Wir erklären die Hintergründe.

Der Versuch, den AfD-Stadtrat abzuwählen, scheiterte, da nicht genug Stimmen zusammenkamen. Ist die geheime Abstimmung im Parlament noch zeitgemäß und demokratisch? Hat die Öffentlichkeit nicht das Recht zu wissen, wie ihre Vertreter abstimmen? Trotz Zweifeln an Geschanowskis Amtsführung wurde er akzeptiert, um Schlimmeres zu verhindern. Das Verwaltungsgericht scheint einen größeren Spielraum für solche Entscheidungen zu bestätigen.

Spiegel: "Geheime Kanzlerwahl abschaffen!"

 

Die Abwahl des AfD-Stadtrats ist gescheitert. Das ist eine bittere Niederlage und die Häme von rechts, ist schwer zu ertragen. Ich will etwas ausführlicher zu den Hintergründen Stellung nehmen und Vorschläge unterbreiten, wie wir die Demokratie kend und solche Dilemmata vermeiden.

Warum ist die Abberufung gescheitert?

Für die Abberufung wären 37 Stimmen notwendig gewesen. SPD, LINKE und Grüne, die zusammen 29 Stimmen haben, hatten vorher mit den anderen Parteien gesprochen und wir waren uns recht sicher, dass CDU und Tierschutzpartei dem Antrag zustimmen würden. Damit wären wir, da nicht alle anwesend waren, auf 43 Stimmen gekommen. Ich kann es mir leicht machen und vorrechnen, dass Rot-Rot-Grün und Tierschutzpartei zusammen 31 Stimmen haben und CDU, FDP und AfD 21, also so viele wie es Enthaltungen, Nein- und ungültige Stimmen gab, die alle dieselbe Wirkung entfalten. Auch wenn ich keinen Zweifel habe, dass alle Verordneten von SPD, Linken und Grünen den eigenen Antrag unterstützt haben - beweisen kann ich es nicht. Es ist am Ende Spekulation, wie jede andere Rechnung auch - denn die Abstimmung ist geheim. 

Warum wird geheim abgestimmt? 

Es ist einfach Konvention und wird in Deutschland von niemandem mehr in Frage gestellt. Natürlich sollen Wähler:innen ihre Entscheidung in der Wahlkabine geheim treffen. Aber warum gilt das für Abgeordnete im Parlament oder für Verordnete in der BVV?

Die Misstrauensabstimmung gegen Willy Brandt, bei dem die Stasi zwei Stimmen gekauft hatte, die vereitelte Wahl von Heide Simones oder die kurze Amtsperiode von Thomas Kemmerich in Thüringen waren keine Sternstunden der Demokratie, letztlich wurde der Wähler:innenwille auf den Kopf gestellt und ich bin mir sicher, Geschanowski wäre jetzt nicht mehr im Amt, wenn offen abgestimmt worden wäre. Irgendjemand hat gelogen. Die Verordneten sind in ihrer Mandatsausübung in Sach- und Personalentscheidungen frei. Aber warum die einen, Sachentscheidungen, offen und die anderen, Wahlen, geheim sind, ist nicht nachvollziehbar.

Die Öffentlichkeit soll und muss wissen können, wie ihre Vertreter:innen abstimmen, um selbst qualifizierte Wahlentscheidungen treffen zu können. Der Politikwissenschaftler Frank Decker hat das im Spiegel gefordert. Ich finde, er hat Recht. Wir sollten die Geschäftsordnung entsprechend ändern.

Warum hat rot-rot-grün 2022 nicht von vornherein die Wahl von Geschanowski verhindert?

Es stimmt, die Kooperation hatte sich damals entschlossen, den Verordneten die Stimmenthaltung zu empfehlen. Wir hatten kein besonders großes Vertrauen in die Amtsführung von Geschanowski. Aber wir mussten folgendes Problem auflösen: Einerseits steht der AfD ein Nominierungsrecht für das Proporzbezirksamt zu, in dem alle Parteien entsprechend ihres Stimmanteils vertreten sind. Andererseits bedarf es dennoch einer Wahl in der BVV.

Wie dieser Widerspruch aufgelöst wird, wenn fortdauernd der Vorschlag einer Partei nicht gewählt wird, damit befassen sich derzeit das Verwaltungsgericht und in Hinblick auf eine ähnliche Konstellation bei der Bestimmung von Vizepräsidenten im Bundestag das Bundesverfassungsgericht, denn die AfD geht jeweils gerichtlich dagegen vor. Auch wenn Geschanowski in vielerlei Sicht problematisch ist, er ist eher der Typ Frühstücksdirektor, der in Ruhe seine Pensionsansprüche absitzen möchte, statt harte AfD-Politik durchzusetzen. Insofern war es das kleinere Übel, ihn hinzunehmen, statt in eine Situation zu geraten, in der wir vielleicht einen ausgemachten Rechtsextremisten hätten akzeptieren müssen. Inzwischen scheint das Verwaltungsgericht zu der Überzeugung gekommen zu sein, dass die BVV einen sehr großen Spielraum bei der Wahl hat, der über das Nominierungsrecht der AfD hinausgeht. Deshalb war das 2022 im Nachhinein ein Fehler, aber wir haben nach unserem damaligen Kenntnisstand rational und verantwortungsbewusst entschieden. Gleichsam hat uns die Haltung des Verwaltungsgerichts bestärkt, den Abwahlantrag zu stellen.

Im Übrigen wäre es sinnvoll, wenn das Abgeordnetenhaus Abstand vom Proporzsbezirksamt nähme, also das Vorschlagsrecht nach Parteistärke abschaffen würde und den BVVen freie Hand ließe, wie es auch sonst in Deutschland üblich ist.