Profitable Bibliothek in Bohnsdorf macht dicht

Kulturstadtrat Michael Vogel (CDU) gibt mehr Geld aus als er hat. Deshalb hat er vorgeschlagen, die Bibliothek Bohnsdorf, die einen Budgetgewinn von 38.000 Euro im Jahr erwirtschaftet, zu schließen und neben der vorhandenen Fahrbibliothek, die jährlich ein Defizit von 16.000 Euro einfährt, noch eine zweite kaufen. Klingt verrückt und das ist es natürlich auch, aber SPD, CDU und Grüne in der Bezirksverordnetenversammlung haben genau das beschlossen.

Sie argumentieren, dass Strafzahlungen an die EU fällig werden könnten, falls die Öffnungszeiten in Bohnsdorf nicht täglich um ein bis zwei Stunden ausgeweitet und die Zahl der Entleihungen gesteigert werden. Dies war nämlich Voraussetzung für die von Brüssel geförderte Einführung der RFID-Technologie in Berlin gewesen, ohne die der Anschluss an den Verbund der öffentlichen Bibliotheken Berlins künftig entfallen würde. Andererseits wäre die geforderte Verlängerung der Öffnungszeiten mit höheren Personalkosten verbunden. Ob eine der beiden Varianten dazu führen würde, dass die Bibliothek defizitär arbeitet, wurde durch das Bezirksamt allerdings nicht beantwortet. Gleichermaßen blieb unberücksichtigt, dass in Bohnsdorf neue Wohnungen entstehen und damit der Bedarf und die Ausleihzahlen steigerungsfähig sind.

Die Fahrbibliothek ist so eine Art Trostpflaster für Ortsteile ohne eigene Bibliothek. Ob das übersichtliche Angebot, das je Ortsteil auch nur wenige Stunden in der Woche zur Verfügung steht, Leserinnen und Leser wirklich zu trösten vermag, sei dahingestellt. Die Zahlen sprechen jedenfalls eine andere Sprache. Obwohl der Bibliotheksbus ein sehr viel größeres Einzugsgebiet abdeckt, werden in ihm kaum mehr Medien entliehen als in Bohnsdorf. Entgegen allen Beteuerungen im Fachausschuss ist das Angebot unwirtschaftlich, auch wenn keine Kosten für die Gebäudeunterhaltung anfallen. Wie das durch die Anschaffung eines zweiten Fahrzeugs besser werden soll, ist ein Rätsel.

Die Fraktion DIE LINKE hat in einem gemeinsamen Antrag mit den Piraten vorgeschlagen, die Bibliothek in Bohnsdorf zu erhalten und um mehr aktuelle Literatur anschaffen zu können, die notwendige Umrüstung auf RFID an diesem Standort und in Friedrichshagen aus Investitionsmitteln zu finanzieren statt aus dem Medienetat, wie es der Entwurf des Bezirksamtes vorsieht. Zur Gegenfinanzierung sollte auf die Anschaffung der zweiten Fahrbibliothek verzichtet werden. Damit Menschen, die weniger gut zu Fuß sind, bibliothekarische Angebote nicht vorenthalten werden, sollte geprüft werden, ob solche etwa auch in Seniorenfreizeiteinrichtungen, den Kiezklubs, bereitgestellt werden können. Das wäre fachlich vertretbar und wirtschaftlich vernünftig gewesen. Eine Mehrheit gab es dafür nicht.

Philipp Wohlfeil
Fraktionsvorsitzender

Hintergrund: Ein Bezirk erhält in den Folgejahren einen Mittelwert der Kosten für die Entleihung eines Buches, die sich in allen Bezirken aus den Aufwendungen für Bücher, Personal, Gebäude und Verwaltung ergeben, multipliziert mit der Anzahl der Entleihungen. Es werden folglich die Bezirke mit Budgetgewinnen belohnt, die effizient mit öffentlichen Mitteln umgehen, also bei geringem Einsatz viele Bücher verleihen. Bezirke, die höhere Kosten pro Entleihung  haben, müssen in anderen Bereichen Mittel kürzen. Von diesem Prinzip gehen zwar auch Fehlanreize aus – etwa weil es sich lohnen kann, auf publikumswirksame Fantasyromane und Klamauk-DVDs anstelle von ernstzunehmender Literatur zu setzen. Auf der anderen Seite können so aber auch anspruchsvolle Angebote subventioniert werden. Im Großen und Ganzen ist es vernünftig, weil Steuermittel wirkungsvoll genutzt und Angebote an den Interessen der Leserinnen und Leser ausgerichtet werden müssen.