Personalabbau im Bezirksamt ist willkürlich und systemwidrig

Im Anschluss an eine Personalversammlung demonstrierten Beschäftigte des Bezirksamtes gegen die Pläne des Senats, 300 Stellen in Treptow-Köpenick zu streichen. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der BVV, Philipp Wohlfeil, erläuterte in einem Redebeitrag die Haltung seiner Fraktion.

Im Anschluss an eine Personalversammlung demonstrierten Beschäftigte des Bezirksamtes gegen die Pläne des Senats, 300 Stellen in Treptow-Köpenick zu streichen. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der BVV, Philipp Wohlfeil, erläuterte in einem Redebeitrag die Haltung seiner Fraktion.


Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Gelegenheit, hier kurz die Position der Fraktion DIE LINKE in der BVV darstellen zu können.
Ich weiß, so ehrlich will ich sein, auch in rot-roten Zeiten flossen in den Bezirken nicht Milch und Honig.

Die in den 90’er Jahren beschlossenen Bezirksfusionen und die mindestens teilweise vom Land Berlin selbstverschuldete Haushaltssituation bildeten die Rahmenbedingungen für das Regierungshandeln der letzten zehn Jahre:
In den Bezirken wurden Einrichtungen geschlossen, Immobilien aufgegeben, Personal wurde abgebaut und die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes im Land Berlin insgesamt mussten Einbußen bei ihren Gehältern und Bezügen hinnehmen. Und gerade weil die Ausgangssituation so ist, ist es an der Zeit für die Politik im Namen der Menschen, die wir vertreten, Ihnen für die Lasten, die sie getragen haben, zu danken statt Ihnen weitere Zumutungen aufzubürden.

Es ist aber nur einer der Gründe, weshalb wir den Abbauplänen der Koalitionsfraktionen aus SPD und CDU im Abgeordnetenhaus entgegentreten und entgegentreten müssen. Denn die Berechnung des zustehenden Personals anhand der Einwohnerzahl des Bezirks klingt ja erst mal plausibel. In Wirklichkeit ist sie systemwidrig und letztlich reine Willkür. Denn gerade in einem vergleichsweise dünn besiedelten Bezirk wie Treptow-Köpenick, in dem Ortsteile manchmal durch Wald getrennt sind, reicht eben eine Bibliothek nicht aus, wir müssen mehr Schulen, Jugendklubs und Seniorenfreizeiteinrichtungen als ein Innenstadtbezirk vorhalten und haben mehr Dienstgebäude, mehr Grünflächen und mehr Straßenland, was natürlich auch mit einem höheren Personalbedarf einher geht. Es entsteht uns also aus der großen Fläche ein Nachteil, der durch die Einwohnerzahl nicht ausgeglichen werden kann.

Und obwohl das so ist, haben wir in der Kosten-Leistungsrechnung ein ausgeglichenes Personalbudget. Betriebswirtschaftlicher Zweck einer Kosten-Leistungsrechnung ist, dass an der Basis, also im Bezirk entschieden werden kann, welches die geeigneten Maßnahmen sind, um ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Durch die Personalkürzungsvorgabe wird dem Bezirk dieser Entscheidungsspielraum genommen und deshalb ist sie willkürlich und systemwidrig.

Es gibt drei Folgen, die in unterschiedlichem Maße eintreten können. Als Politikerinnen und Politiker in Treptow-Köpenick haben wir dann noch die Freiheit zu entscheiden, an welcher der Bezirk zugrunde gehen wird:

1. Die Arbeitsbelastung für Sie und der Druck Ihrer Vorgesetzten werden zunehmen, bei allen absehbaren Problemen, die das für ein im Schnitt ja auch nicht jünger werdendes Personal haben wird.
2. Die Leistung, der Output, die Produktmengen, die die Bezirksverwaltung erbringt, werden sinken. Abgesehen von den Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger, schrumpft damit entsprechend der Kosten-Leistungsrechnung auch die Zuweisung des Senats an den Bezirk; Treptow-Köpenick schlittert in die Haushaltsnotlage und gerät unter die Zwangsverwaltung der Senatsverwaltung für Finanzen.
Und / oder:
3. Der Bezirk muss seine Aufgaben ausgliedern, outsourcen: Die internen Verwaltungsabläufe macht dann Bertelsmann, alle Sozial- und Bildungseinrichtungen gehen an freie Träger und Gebäude, Grünflächen und Straßen werden von profitorientierten Privatunternehmen betrieben.

Ob diese Schreckensszenarien so eintreten werden oder noch abgewendet werden können – ich weiß es nicht. Aber die Richtung ist durch die Koalition so vorgegeben. Am Ende, sage ich Ihnen, ist es dann auch egal, wer hier Bezirksbürgermeister ist, er hat dann nämlich sowieso nichts mehr zu sagen.

Herr Bezirksbürgermeister Igel hat in seinem Schreiben an Sie und auch heute deutliche Worte gefunden. DIE LINKE unterstützt ihn darin.

Es müssen darüber hinaus ernsthafte Zweifel daran erhoben werden, ob die Pläne des Senats mit der in der Verfassung von Berlin garantierten Stellung der Bezirke vereinbar sind. Da die Bezirke wegen ihrer besonderen (und zwar besonders schlechten) Rechtsstellung keine Möglichkeit haben, den Senat direkt zu verklagen, fordere ich das Bezirksamt auf, sich an der Umsetzung der Kürzungsmaßnahmen nicht zu beteiligen. Nicht als symbolische, letztlich wirkungslose Geste. Sondern weil nur bei aktivem Widerstand des Bezirksamtes der Senat per Verwaltungsgericht die Durchsetzung seiner Politik zu erzwingen versuchen wird. Damit wäre dann der Weg frei für eine Klärung, ob dieses Vorhaben verfassungsmäßig ist oder nicht. Und ich bin davon überzeugt: es ist es nicht.

 

Philipp Wohlfeil

Fraktionsvorsitzender