Digitaler Fortschritt in der Politik

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Corona-Krise bringt Digitalisierung im Parlament

Inmitten der Osterferien schlug ich gemeinsam mit meinen Linksfraktionskollegen Sebastian Schlüsselburg & Tobias Schulze vor, das Berliner Abgeordnetenhaus möge im Bundestag tagen, weil dieser ausreichend Platz böte, um die nötigen ­Ab­­standsregeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu wahren. Zusätzlich forderten wir Möglichkeiten der digitalen Teilnahme an Sitzungen auszubauen und die aktuelle Krise auch für die Modernisierung des Parlamentsbetriebes zu nutzen.Wie im Bundestag und in anderen Landtagen sowie Kommunalparlamenten beschäftigt auch uns Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses die Frage, wie im Fall von Quarantäne oder Krankheit vieler Abgeordneter, vielleicht ganzer Fraktionen, das Parlament funktionsfähig bleiben kann. Denn die Funktionsfähigkeit des Parlamentes ist gerade in Krisenzeiten nicht weniger systemrelevant als eine handelnde Exekutive. Dies gilt für alle parlamentarischen Funktionen von der Gesetzgebung, über seine Kreationsfunktion, die Wahrnehmung des Budgetrechtes, ohne das z.B. die finanziellen Hilfspakete nicht denkbar wären, bis hin zur parlamentarischen Kontrolle. Nicht zuletzt, weil diese auch die notwendige Transparenz über Sinn und Unsinn, um Verhältnismäßigkeit und Präzision der Maßnahmen gegen die Pandemie herstellt.

Besonders heiß diskutiert wird, das Parlament im Notfall durch die Herabsetzung der Beschlussfähigkeitsgrenze deutlich verkleinert tagen zu lassen und hierfür die Berliner Verfassung zu ändern; ein sog. „Notparlament". Doch schon jetzt haben das Abgeordnetenhaus und andere Parlamente freiwillig aufgrund der Abstandsregelungen die Präsenzzahl der Abgeordneten erheblich reduziert, um weiter tagen zu können! Der sächsische Landtag hat stattdessen unlängst in einer Kongresshalle getagt, damit alle Abgeordneten ihr Recht auf Teilnahme wahrnehmen konnten. Uns Berliner*innen stünde die Messe oder vielleicht auch der Bundestag für Plenarsitzungen zur Verfügung.

So sehr diese Pandemie vor allem große Sorgen bereitet, so beschleunigt sie auch die Digitalisierung der Gesellschaft. Auch die Arbeit von Parlamentarier*innen und Regierungen findet seit Wochen im Internet, per Videokonferenz und mithilfe digitaler Tools statt.

Jetzt ist es demnach an der Zeit, die Digitalisierung der Demokratie voranzutreiben; die Gewährleistung von Datensicherheit und die Unabhängigkeit von großen Tech-Giganten inklusive.

In anderen Landtagen tagen die Ausschüs­se bereits per Video- oder Telefonkonferenz. Im Abgeordnetenhaus hat man Erfahrung mit dem öffentlichen Streamen in der letzten Legislaturperiode gemacht.

Inzwischen gibt es einen neuen Stand der Dinge:

In der vergangenen Woche wurde für den Parlamentsbetrieb des Abgeordnetenhauses vom dortigen überparteilichen Krisenstab vereinbart, die Fachausschüsse wieder tagen zu lassen und digitale Übertragungen zu ermöglichen. Das ist ein wichtiger Fortschritt und für die politische Arbeit auch in Zukunft essentiell!

Die Plenarsitzungen würden aber vorerst weiter in verkleinerter Runde von Abgeordneten abgehalten und so bliebe die von uns vorgeschlagene Möglichkeit im Bundestag zu tagen auf dem Tisch; die Geschäftsordnung des Bundestages schließt dies aus unserer Sicht nicht aus.

Vergangene Woche hat der Parlamentarische Geschäftsführer unserer Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Jan Korte, den Bundestagspräsidenten um Prüfung dieses Anliegens gebeten und wir bleiben dran, denn die repräsentative Demokratie ist systemrelevant!

Katalin Gennburg