Instrumentalisierung und Widerstand - Vor 90 Jahren wurden die Gewerkschaften zerschlagen

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Der für die Arbeiterbewegung seit langem bedeutsame 1. Mai wurde in Deutschland ausgerechnet im Jahr 1933 offiziell zum Feiertag erklärt – unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, die den Tag der Arbeiterklasse damit für ihre politischen Zwecke instrumentalisierten.

Die berühmten Tagebucheinträge vom damaligen Reichspropaganda-Minister Goebbels zeigen, dass neben der Verfolgung von KPD- und SPD-Mitgliedern auch die Zerschlagung der Gewerkschaften bereits längst geplant war. Goebbels schrieb am 17. April: „Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt.“

Bereits im März beginnt die Verfolgung. Das Ermächtigungsgesetz wird beschlos­sen, die Verhaftungswellen gegen die Arbeiterbewegung, Mitglieder von KPD und SPD wie auch der Gewerkschaften beginnen und die ersten „wilden“ Konzentrationslager entstehen in Dachau und Oranienburg. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) bleibt jedoch weiterhin bei der Linie, nicht die offene Konfrontation zu suchen – in der Hoffnung, damit auch unter der Herrschaft der NSDAP dennoch gewerkschaftliche Arbeit sicherzustellen. Im Aufruf des ADGB zum 1.Mai 1933 heißt es: „Der deutsche Arbeiter soll am 1. Mai standesbewußt demonstrieren und ein vollberechtigtes Mitglied der deutschen Volksgemeinschaft werden.“ In der Semantik findet sich schon die später von den Nazis vorgenommene Umdeutung. Während der 1. Mai 1933 noch als „Feiertag der nationalen Arbeit“ begangen wurde, fehlte mit der Bezeichnung „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“ ab 1934 jeglicher Bezug zur Arbeit.

Am 1. Mai 1933 organisieren die Nationalsozialisten eine riesige Propagandaveranstaltung auf dem Tempelhofer Feld in Berlin mit angeblich mehr als einer Million Teilnehmern. Hitlers Rede wird im Radio übertragen. In der ganzen Republik werden an dem Tag „Hitler-Eichen“ gepflanzt, auf dem Tempelhofer Feld von Hitler persönlich als „Hindenburg-Eiche“.

Erinnernswert ist jedoch zugleich, dass es gegen diese Entwicklungen Widerstand gab. Die von Hitler gepflanzte „Hindenburg-Eiche“ wurde wenige Wochen später von Unbekannten gefällt. Auch in Treptow-Köpenick gab es ­Wider­stand. Dazu ist in dem Buch „Wi­derstand in Köpenick und Treptow“ von Heinrich-Wilhelm Wörmann zu lesen:  „Mitglieder des Kommunistischen ­Jugend­­verbandes „schmückten“ zum 1. Mai 1933 den Spreetunnel in Friedrichshagen mit roten Fahnen und antinazistischen Parolen. Emil Rudolf Greulich berichtete, dass zum 1. Mai an der Hochspannungsleitung Bohnsdorf-Altglienicke ein Transparent mit der Aufschrift „Es lebe der erste Mai! – Die KPD lebt!“ angebracht worden war. Am Nachmittag des 1. Mai trafen sich in der Nähe des ehemaligen Fichte-Sportplatzes in der Eichbuschallee in Treptow Arbeitersportler zu einer improvisierten Maifeier.“

In dem Buch findet sich auch ein Bericht von Ernst Oschmann, der 1933 als politischer Leiter für die bereits verbotene KPD agierte. Er berichtet mit Blick auf den 1. Mai 1933: „Anfang April 1933 fand noch einmal eine Konferenz statt, und zwar in Köpenick-Nord, in der Nähe des Lokals ,Pferdebucht‘. Wir sprachen über die Richtung des politischen Kampfes und bereiteten den 1. Mai vor. Es wurden später an mehreren Stellen in Köpenick-Nord kurze Versammlungen durchgeführt und Flugblätter verteilt. Im Wald bei der ,Pferdebucht‘ fand eine kurze Maifeier statt, auf der das ehemalige Mitglied des Reichstages, Georg Kassler, sprach, der in Köpenick wohnte. Sie dauerte zehn Minuten, danach bildeten die etwa 60 Teilnehmer kleine Gruppen und blieben noch beisammen.“

Am 2. Mai 1933 stürmten die Nazis schließlich die Gewerkschaftshäuser in ganz Deutschland. Die Gewerkschaften wurden verboten und ihre Mitglieder verhaftet.

Moritz Warnke

Weitere Infos : Lebendiges Museum ­online


Dieser Artikel stammt aus dem blättchen vom Mai 2023.  Die Zeitungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion können hier runtergeladen werden.