Der Tyrannei ein Ende! Der Gerechtigkeit zugewandt.
Eine Positionsbestimmung der Linksjugend Treptow-Köpenick zwischen Ukraine-Krieg und Querfront-Konfrontation. Und irgendwo dazwischen: DIE LINKE.
1. Die Menschen
Krieg ist scheiße. Seit Ausbruch des Krieges sind viele Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, allein die EU zählt über 8 Millionen registrierte Geflüchtete aus der Ukraine. „Die russischen Streitkräfte sind verantwortlich für den Tod, willkürliche Festnahmen, Folter und das Verschwindenlassen von ukrainischen Zivilist:innen. Auch Kriegsgefangene sollen gefoltert worden sein. Inhaftierte berichteten von Schlägen, Elektroschocks, Scheinhinrichtungen, Waterboarding und anderen Foltermethoden und Misshandlungen. Russische Soldat:innen hielten Menschen außerdem unter unwürdigen Bedingungen in Kellern, Gruben, Heizungskellern und Fabriken gefangen“ (Human Rights Watch). Die russische Armee nutzt Vergewaltigungen als Kriegswaffe. Auch Misshandlungen russischer Kriegsgefangener durch ukrainische Streitkräfte wurden in einigen Fällen dokumentiert.
Mindestens 13.700 verletzte und 8000 getötete ukrainische Zivilist:innen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt verifiziert, die echten Zahlen werden weit darüber liegen. Mindestens in Butscha, Borodjanka, Irpin und Mariupol haben russische Streitkräfte Massaker an der ukrainischen Zivilbevölkerung verübt.
Es ist dringend geboten, dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ein Ende zu setzen. Es ist unabdingbar, die Menschen, die vor dem Krieg flüchten, zu unterstützen. Ihnen gilt unsere Solidarität. Wir bedanken uns bei den vielen Menschen, die dazu einen konkreten Beitrag leisten. Das ist der Mittelpunkt unseres linken Verständnisses: Die Menschen.
2. Putin und die Ukraine
Der Wunsch nach Frieden ist einende Klammer der gesellschaftlichen Linken und vieler Menschen darüber hinaus. Gleichzeitig ist die Debatte über den Weg zum Frieden geprägt von Dogmatismen, es drängt sich der Eindruck auf, dass sich zu viele Mitglieder der LINKEN zuerst einmal eine Meinung bilden und danach ganz selektiv die passenden Wahrheiten suchen. Und dort, wo es nützt, wird auch gerne mal ganz auf die Wahrheit verzichtet. Nur, damit das eigene Weltbild nicht ins Wanken gerät.
Schon die von weiten Teilen der Partei vorgenommene Darstellung einer angeblichen Gefährdung Russlands durch die NATO ist in hohem Maße fragwürdig. Um nur ein Beispiel zu nennen: Noch im Januar 2022 proklamierte die Allrussische Offiziersversammlung, die größten Gefahren lägen in der inneren Verfasstheit Russlands. Eine externe Gefahr sei „aber nach unseren Experteneinschätzungen [...] derzeit nicht kritisch [...]. Im Großen und Ganzen ist die strategische Stabilität gewahrt, die Nuklearwaffen sind unter verlässlicher Kontrolle, die NATO-Truppenverbände werden nicht aufgestockt, und es gibt keine bedrohlichen Aktivitäten“. Vielmehr beschuldigt sie Putin, die Spannungen mit der Ukraine künstlich aufzuschaukeln; der Krieg sei für die russische Regierung lediglich ein Mittel, um sich an der Macht zu halten.
Dass solche Überlegungen nicht Teil der innerparteilichen Debatte sind, ist eine sträfliche Vereinfachung der Diskussion. Das Schweigen zu dieser Frage insbesondere von denjenigen, die immer besonders wortgewaltig nach den „wahren“ Gründen oder Ursachen des Krieges suchen, ist viel zu laut. Hinter ihren langen – und zu nicht geringen Teilen schlicht aus der russischen Staatspropaganda
übernommenen – Ausführungen über eine angebliche Schuld des „Westens“ (wer auch immer das konkret ist) steckt viel zu oft nichts weiter als der Versuch, die politisch Führenden in Russland von jedweder Verantwortung freizusprechen.
Es ist eine vergebene historische Chance, dass es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht gelungen ist, eine ernsthafte europäische Sicherheitsinfrastruktur unter dem Einschluss Russlands zu installieren. Gleichzeitig ist die Vereinfachung des innerparteilichen Diskurses auf einen vermeintlichen „Expansionskurs“ der NATO als Ersatzmaßnahme erkennbar unterkomplex. In der Diskussionspraxis setzen sich weite Teile der Partei über den Fakt, dass auch in den westlichen Staaten die Aufnahme mittel-osteuropäischer und baltischer Staaten lange und kontrovers diskutiert worden ist genauso hinweg, wie über das Selbstbestimmungsrecht eben dieser Staaten. Ein NATO-Beitritt der Ukraine (und Georgiens) ist 2008 durch das Veto Deutschlands und Frankreichs verhindert worden.
Die von der russischen Propaganda behauptete „historische Einheit“ Russlands und der Ukraine ist so absurd, dass sie hier nicht widerlegt werden muss. Wir wünschen uns, dass gleiches für den innerparteilichen Diskurs gelten würde.
Fake-News-Kampagnen der russischen Propaganda werden übernommen, ob aus methodischer Unfähigkeit oder weil es schlicht ins Weltbild passt. RT, RT deutsch, Nachdenkseiten, Sputnik: Propogandaportale Russlands unterliegen keiner kritischen Betrachtung mehr. Genauso werden Behauptungen offensichtlicher pro-Russischer Fake-News-Seiten wie „anti-spiegel.ru“ ohne jede Einordnung übernommen. Behauptungen, die kaum offensichtlicher falsch sein könnten, werden zu Totschlagargumenten stilisiert. Wer ernsthaft glaubt, Großmächte könnten keinen Krieg verlieren, möge nach Afghanistan oder Vietnam schauen. Von „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat“ ist in dieser Partei nichts mehr übriggeblieben. Und wo wir gerade bei schrägen historischen Vergleichen, bei denen Pathos den Fakt ersetzt, sind: Auch die Vorfahren derjenigen, die heute für das Existenzrecht der Ukraine mit Waffengewalt kämpfen müssen, haben im 2. Weltkrieg gegen die Nazis gekämpft. Wir sind es leid, immer und immer wieder betonen zu müssen: Die Rote Armee ist nicht die russische Armee.
3. Die Täter-Opfer-Umkehr. Oder: Der Weg zum Frieden
Für Putin ist Krieg nicht das Versagen von Politik, sondern ein politisches Instrument. Es ist ihm nicht gelungen, als Modernisierer Russland ausreichend für den 21. Jahrhundert aufzustellen. Die Idee, Europa in die dunklen Zeiten des 20. Jahrhunderts zurückzubomben, darf niemals linke Unterstützung finden. Immer wenn Putin Kriege geführt hat, sind seine Zustimmungswerte in Russland deutlich gestiegen. Tschetschenien (1999-2009), Georgien (2008), Donbass (2014), Krim (2014), Syrien (ab 2015) – Putins Amtszeit ist durchsetzt von aggressiver und imperialistischer Außenpolitik.
Seine Kriegsziele hat Putin schon vor dem Überfall auf die Ukraine benannt: Die vollständige Tilgung der Ukraine von der Landkarte. Medwedews Forderung nach einem „offene[n] Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok“ zeigt einen verachtenswerten imperialistischen Anspruch. Sogar die Chefin des Propagandasenders RT erklärte kürzlich, die Begriffe von „Demilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ seien nur vorgeschoben. Sie sind bewusst komplex und nicht quantifizierbar gewählt, um die Kriegsziele mit dem Laufe der Zeit verschwimmen zu lassen.
Die Entscheidung, ob die Ukraine kapituliert oder sich verteidigt, obliegt allein den Menschen in der Ukraine. Sie haben ihre Entscheidung getroffen. Dass in der innerparteilichen Debatte wiederholt Forderungen danach laut werden, die Ukraine hätte sich „dem Frieden Willen“ überrennen lassen sollen, ist in höchstem Maße unanständig. Genauso unanständig ist es, den Ruf nach Verhandlungen immer ausführlich damit zu verbinden, dass die Ukraine ihre – legitimen – Ziele aufgeben solle,
während zu den – verbrecherischen – Kriegszielen Russlands geschwiegen wird. Das ist mit unserem Gerechtigkeitsempfinden nicht vereinbar.
Es ist vor diesem Hintergrund auch vollkommen realitätsfern, in Putin den „Friedensbringer“ und in Selenskyj einen „Kriegstreiber“ zu sehen. Während Putin verbrecherische Ziele verfolgt, kämpft die Ukraine für ihre Selbstbestimmung. Einen Kampf, den die politische Linke zwingend unterstützen muss. Die Täter-Opfer-Umkehr zwischen Russland und der Ukraine, zwischen Putin und Selenskyj muss endlich aufhören!
Angesichts der Gräueltaten, die in der Ukraine begangen worden sind und den erklärten Kriegszielen Russlands ist eine Neupositionierung der Linkspartei zu Waffenlieferungen an die Ukraine dringend geboten.
Dass Frieden nur durch Verhandlungen erreicht werden kann, ist unstrittig. Der Schlüssel für den Frieden ist dabei einfach: Putin muss die russischen Truppen abziehen. Anschließend wünschen wir ihm und seinen Mittätern ein rechtstaatliches Verfahren in Den Haag und die nachhaltige Aufarbeitung der begangenen Kriegsverbrechen. Und der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen große Unterstützung beim Wiederaufbau.
4. Die LINKE und die Medien
Platz für linke Kritik an der deutschen Medienlandschaft gibt es genug: Der Springer-Konzern gehört zerschlagen. Die zunehmende Fusion der Verlage hin zu wenigen, großen Medienhäusern, der Abbau von Lokal- und Fachredaktionen. Miserable Arbeitsbedingungen für Journalist:innen, wiederkehrende Einschränkungen der Pressefreiheit durch polizeiliche Willkür insbesondere in dynamischen Situationen. Tätliche Angriffe auf Journalist:innen, in Einzelfällen auch durch Polizeien. All das und die vielen populistischen Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind keine guten Voraussetzungen für eine resiliente Demokratie.
Berichterstattung beinhaltet Fehler. Berichterstattung ist nicht immer ausgewogen. Teile von Berichterstattung genügen journalistischen Standards nicht. Berichterstattung kann instrumentalisiert werden oder sich instrumentalisieren lassen. Auch in der Medienlandschaft verschwimmt die Trennung von Meinung und Fakten. Daran Sachkritik zu üben ist nicht nur der Sache halber wichtig, sondern auch einer starken Demokratie förderlich. Die Medienkritik, die in unserem Bezirksverband allerdings mittlerweile an den Tag gelegt wird, ist damit nicht mehr vereinbar. Sie hat sich in ein gefährliches Ausmaß verselbstständigt. Spöttisch wird erklärt, dass „unsere Medien“ über dieses und jenes nicht oder nicht zutreffend berichteten, alternativ wird alles, was nicht ins eigene Bild passt, zum Machwerk „bürgerlicher Medien“ proklamiert. Sachkritik ist der immer wiederkehrenden, absolut generalisierten Medienschelte gewichen.
Es fällt in vielen Redebeiträgen schwer, ihnen nicht eine Theorie von Gleichschaltung von Medien zu entnehmen. Das ist eine gefährliche Enthemmung des innerparteilichen Diskurses, es ist schlicht faktenwidrig und zeigt eine indiskutable Nähe zu Verschwörungserzählungen. Und wer in der Partei DIE LINKE solche Ansichten mit welcher Vehemenz vertritt, ist mit Blick auf die Geschichte der Vorgängerorganisation dieser Partei ein absurder Treppenwitz der Geschichte.
5. „Keine Querfront“, aber...
Schon ihr Projekt „aufstehen“ war von einem rein national geprägten Schutzanspruch der Deutschen geprägt, zeitgleich sagte sie dem progressiven, verbindenden Bündnis „unteilbar“ den Kampf an. Es folgten merkwürdige Ausflüge in rechte Gefilde, irgendwo zwischen „Gastrecht“, „Lifestyle-Linken“ und „skurrilen Minderheiten“ wurde Emanzipationspolitik grundlegend abgeräumt. Man tritt Wagenknecht nicht zu nahe, wenn man ihr unterstellt, gezielt in rechten Wählerklientels zu fischen. Die Grünen seien
die gefährlichste Partei im Bundestag. Fast schon folgerichtig ist es, dass sie ein Manifest verfasst, das Unterzeichner:innen bis nach ganz rechts außen anzieht. Rechtskonservative Figuren wie Peter Gauweiler, Jürgen Todenhöfer und Erich Vad wurden von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sogar als Erstunterzeichner des Aufrufs eingeladen. Die Tür nach rechts stand damit von vornherein weit offen. Lafontaine lädt Rechte ausdrücklich ein, Wagenknecht macht sich mit ihrer Gleichsetzung von Kritik an einer Demo mit einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtes Framing zu eigen.
Das andauernde Aufrechtrechterhalten eines Spaltungs-Mythos (wie am 26.02. und am 18.03.), das durch Wagenknecht betrieben wird, schadet der Partei massiv. Es muss endlich eine Entscheidung herbeigeführt werden. Wir fordern den Ausschluss Wagenknechts aus Partei und Fraktion.
Grundlage unseres politischen Handelns und unseres antifaschistischen Selbstverständnisses ist der Schwur von Buchenwald: „[...] Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“. Dabei ist auch die Reihenfolge nicht zufällig gewählt. In einer glaubhaften Friedensbewegung müssen die Losungen „Nie wieder Krieg!“ und „Nie wieder Faschismus!“ untrennbar nebeneinanderstehen.
Das taten sie am 25.02. nicht. Die Querfront hat Bestand, sie war auch kein Betriebsunfall. Sondern bewusst kalkuliert. Das halten wir für einen unverzeihlichen Fehler. Nach den obigen Ausführungen ist es leider auch folgerichtig, dass die Teilnehmer:innen und Organisator:innen das bis heute nicht anerkennen wollen. Es gibt keinen „Antifaschismus light“, keinen Antifaschismus in Grautönen. Antifaschismus ist absolut oder er ist nicht.
Die Liste von Rechtsextremist:innen, die an der Veranstaltung teilnahmen ist endlos lang, ein Vertreter der AfD durfte von der Bühne aus mitfilmen. Das wiegt auch nicht der eher unbeholfene aber am Ende doch erfolgreiche Ausschluss Elsässer auf. Dass bei dieser skurrilen Veranstaltung Genoss:innen mit den geistigen Brüdern und Schwestern derer, die uns bei so vielen Gelegenheiten beleidigt, bedroht und auch schon körperlich angegriffen haben, gemeinsam auf der Straße standen, ist ein schwerster Vertrauensbruch. Dass die Initator:innen und Teilnehmer:innen einer sogenannten „Friedensdemo“, für die sich der Aggressor eines Angriffskrieges nachdrücklich bedankt, noch guten Gewissens in den Spiegel schauen können, lässt uns hilflos zurück.
6. Schlusswort
Es ist uns insgesamt unklar, wie diese Konfliktlage aufgelöst werden könnte. Der linken Parteien inhärente Ruf nach Dialektik reicht nicht aus. Schon die Einigung auf eine Wirklichkeit ist zum Scheitern verurteilt, das hat die Debatte der letzten fast 13 Monate ausdrücklich gezeigt. Und auch die moralischen Grundsätze, die politische Haltung motivieren, stehen unversöhnlich gegeneinander. Die letzte offene Frage bleibt, wie lange wir dem moralisch-politischen Zerfall des Projekts DIE LINKE noch von innen mitansehen können.
Wir werden das Gefühl nicht los, einige Genoss:innen wollen Frieden für die betroffenen Menschen, andere vor allem, damit sie selbst Ruhe haben. Menschen, die sich selbst als überzeugte demokratische Sozialist:innen bezeichnen, schlagen sich aufgrund intellektueller Feigheit auf die Seite der Tyrannei. Wäre nicht gerade echter Krieg in Europa, man würde von moralischer Kapitulation reden.
Es ist uns unbegreiflich, wie eine – dem Selbstverständnis nach zur Aufklärung verpflichtete – Partei sich nicht auf die Seite derjenigen Stellen kann, die sich unmissverständlich nach Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, demokratischer Selbstbestimmung und Rechtsstaatlichkeit sehnen und unter Einsatz ihres Lebens dafür kämpfen. Ihnen gilt unsere Solidarität.