Gysi meint ...

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Treptow-Köpenick

Endlich Respekt für den Osten

Natürlich kann und darf man 30 Jahre Einheit feiern. Schließlich ist seit dem ein Krieg zwischen beiden Staaten ausgeschlossen und wurde viel geschafft und geschaffen. Die im Herbst 1989 errungenen grundlegenden demokratischen Freiheiten wurden dauerhaft gesichert, auch wenn es manche heute anders sehen. Endlich hatten wir eine Währung, mit der man weltweit einkaufen konnte. Wirtschaftsleistung und Produktivität klaffen nicht mehr so weit auseinander.

Doch auch nach 30 Jahren will das Gefühl, in einem vereinigten Land zu leben, nicht so recht aufkommen. Auf Landkarten-Grafiken zu Vermögen, Arbeitslosigkeit, Arbeitseinkommen, Führungspositionen, Kita-Betreuung und vielem anderen scheint es, als ob die Mauer noch stünde, so unterschiedlich sind die Verhältnisse in West und Ost.

Sinnbild für diese Entwicklung war die Treuhand, die ursprünglich von der Volkskammer eingesetzt wurde, um die Bevölkerung am DDR-Volkseigentum partizipieren zu lassen. Doch sie wurde neu besetzt und ihr Zweck in sein Gegenteil verkehrt. Betriebe wurden geschlossen oder häufig von westdeutschen Erwerbern als Konkurrenz in die Insolvenz geschickt. Massenarbeitslosigkeit und Deindustrialisierung ganzer Landstriche waren die Folgen, an denen der Osten bis heute leidet. Auch heute noch werden Tarifverträge ab­geschlossen mit niedrigeren Löhnen und längeren Arbeitszeiten im Osten und keine gleichen Renten für gleiche Lebensleistungen beschieden. Diese Entwicklung, die den Ostdeutschen und dem Osten seit 1990 nie das Gefühl von Gleichwertigkeit vermittelte, hat vielleicht mehr zur Herausbildung einer ostdeutschen Identität beige­tragen, als es in der DDR je vermocht wurde.

Es sollten endlich die Lebensleistungen der Ostdeutschen gewürdigt werden, auch mit Anerkennung aller östlichen Berufsabschlüsse und end­lich mit so vielen Ostdeutschen in Führungspositionen, wie es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht