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Lehren aus der Corona-Krise

Bodo Ramelow will in Thüringen Anfang Juni die zum Schutz vor dem Corona-Virus erlassenen Beschränkungen, die für einen deut­lichen Rückgang der nun beherrschbar scheinenden Infektions­zahlen gesorgt haben, weitgehend aufheben. Nur bei regionalen Infektionsherden sollen die Kommunen und Landkreise eingreifen, sonst aber vor allem die Bürgerinnen und Bürgern selbst im Bewusstsein agieren, dass das Virus nicht verschwunden ist. Aus Verboten sollen Gebote werden.

Er setzt damit um, was vielen Menschen zunehmend Sorgen bereitete – die Einschränkung von Grundrechten darf nicht von Dauer sein. Als die RAF agierte, wurde die Strafprozessordnung vermeintlich nur vorübergehend geändert. Fast alle Änderungen haben heute noch Bestand. Genau dies darf sich mit den Maßnahmen gegen Corona nicht wiederholen. In der nun begonnen Debatte über das Ende der Maßnahmen müssen aber endlich die Abwägungsprozesse transparent werden, denen die Politik seit Beginn der Krise permanent unterliegt. Entscheidungen und ihre Beweggründe müssen erklärt werden, so dass die Menschen sie verstehen und nachvollziehen können. Dies hat die Bundesregierung ­lange Zeit zu wenig getan und damit auch abstrusesten Verschwörungstheorien Raum gegeben, aus denen mancher vor allem von Rechtsaußen politisches Kapital zu schlagen versucht. Dass in manchen Regionen mit Reichskriegsflaggen und Symbolen der Judenverfolgung ge­gen die Corona-Beschränkungen protestiert wird, ist einfach nur widerlich. Die damit verbundene Unterstellung, die etablierte Politik strebe eine Diktatur an, verstellt den Blick auf die ­Notwendigkeit, aus der Corona-Krise wirklich Lehren zu ziehen. Die Profitorientierung in Gesundheit und Pflege zum Beispiel steht ebenso in Frage wie die Schuldenbremse. Darüber wird noch viel zu reden sein.