„Unsere Themen benennen – immer wieder”

d@h_blog - Deutsche AIDS-Hilfe e.V

Am 8. April haben die Vereinten Nationen der Zivilgesellschaft zugehört – mehr als 400 Vertreter aus NGOs und anderen Bereichen berieten darüber, wie man den Kampf gegen HIV und Aids intensivieren kann.

 

Das Treffen in New York diente der Vorbereitung der UN-Generalversammlung zu HIV und Aids vom 8. bis zum 10. Juni. Unter den Teilnehmern war auch Carsten Schatz, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. Im Interview mit Holger Sweers berichtet er, warum das Treffen wichtig war, obwohl sich nur wenige Vertreter der UNO-Mitgliedstaaten blicken ließen.

Am 8. April haben die Vereinten Nationen der Zivilgesellschaft zugehört – mehr als 400 Vertreter aus NGOs und anderen Bereichen berieten darüber, wie man den Kampf gegen HIV und Aids intensivieren kann.

Das Treffen in New York diente der Vorbereitung der UN-Generalversammlung zu HIV und Aids vom 8. bis zum 10. Juni. Unter den Teilnehmern war auch Carsten Schatz, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. Im Interview mit Holger Sweers berichtet er, warum das Treffen wichtig war, obwohl sich nur wenige Vertreter der UNO-Mitgliedstaaten blicken ließen.

Carsten, „die Zivilgesellschaft“ – wer ist das eigentlich im Fall von HIV und Aids?

Dahinter verbergen sich Nichtregierungsorganisationen und Selbsthilfeorganisationen wie zum Beispiel die Deutsche AIDS-Hilfe, aber auch religiös geprägte Gruppierungen, Stiftungen und andere Einrichtungen. Ganz besonders wichtig für mich dabei ist, dass Menschen mit HIV auch selbst beteiligt sind, dass nicht über sie geredet wird, sondern dass sie selbst ihre Interessen vertreten.

Im Großen und Ganzen sind das also Interessengruppen?

Ja, und wie alle Interessengruppen wollen sie mehr Geld. Aber das war zum Glück nicht alles. Auch wenn die drei Sitzungen am 8. April ziemlich straff durchorganisiert waren und wir als Teilnehmer vor allem zugehört haben, sind solche Treffen doch wichtig, um unsere Themen zu benennen und auf die internationale Tagesordnung zu setzen. Immer wieder, wenn es sein muss. Und es muss sein.

Was heißt „unsere Themen“? Und wieso muss man die immer wieder benennen?

Neben der Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids sind unsere Themen Sex zwischen Männern, Sexarbeit, Drogengebrauch oder auch Migration, die gesellschaftlich – bei aller oberflächlichen Liberalität und Toleranz – immer noch tabuisiert werden. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat das in seiner Rede auf der Versammlung noch mal sehr schön deutlich gemacht: „Bevor ich Generalsekretär wurde, war ich es nicht gewöhnt, über solche Themen zu sprechen. Aber ich habe schnell begriffen, dass der alte Slogan ‚Schweigen ist gleich Tod‘ absolut wahr ist. Solange sich Menschen schämen, über Sexualität zu sprechen, solange es als unmoralisch gilt, wenn Frauen ihre reproduktive Gesundheit selbst in die Hand nehmen, solange Menschen mit HIV systematisch beleidigt und missbraucht werden, solange wird dieses Stigma Tod um Tod verursachen.“

Und da gehen dann auch religiös geprägte Organisationen mit?

Nicht unbedingt … Aber obwohl solche Gruppen einen ziemlich großen Einfluss haben – sie sind ja weltweit gesehen auch wichtige Akteure –, sind diese Themen zumindest bei der UNO und natürlich bei UNAIDS auf der Tagesordnung. Ich sehe schon große Chancen, dass sie auch in der Abschlusserklärung der Generalversammlung im Juni auftauchen.

Wie soll das sichergestellt werden?

ICASO, der internationale Aidshilfe-Dachverband, hat eine „Civil Society Task Force“ eingerichtet, die sich genau darum kümmert. Einen Tag vor der Versammlung haben sich Aidshilfe-Vertreter in New York getroffen und noch mal die wichtigen Themen festgeklopft. Die Abschlusserklärung für die Juni-Versammlung ist ja zum Glück noch nicht fertig vorbereitet.

Wie wichtig sind denn solche Erklärungen überhaupt? Ist das nicht nur wieder Papier?

Nein, wenn Abschlusserklärungen Zahlen nennen, und dafür werden wir uns einsetzen, dann kann man die Regierungen daran messen. Ban Ki-moon zum Beispiel hat ganz klare Zahlen genannt: Zahl der sexuellen HIV-Übertragungen halbieren, Behandlung für 13 Millionen Infizierte anbieten, Mutter-Kind-Übertragungen stoppen, Zahl der Tuberkulose-Toten unter Menschen mit HIV halbieren, Zahl der Länder halbieren, die noch spezielle Einreise- und Aufenthaltseinschränkungen für Menschen mit HIV haben.

UNAIDS-Direktor Michel Sidibé spricht ja sogar von drei Nullen: Null Neuinfektionen, null aidsbedingte Todesfälle, null Diskriminierung.

Ich bin da etwas skeptisch, was diese Ziele angeht, aber dennoch brauchen wir solche Visionen. Im Übrigen nennt Sidibé in der UNAIDS-Strategie bis 2015 ganz ähnliche Ziele wie Ban Ki-moon.

Was haben eigentlich die UN-Vertreter der Staaten bei dem Treffen gemacht?

Beobachtet … Ich habe am 8. April mal kurz ein Schild mit dem Namen „Germany“ gesehen, aber als ich dann später hingehen und mich vernetzen wollte, war schon niemand mehr da. Insgesamt war die europäische Präsenz eher dünn, die nordamerikanische eher überproportional. Aber die hatten es ja auch näher … Bei der UN-Generalversammlung im Juni werden wir aber hochrangig vertreten sein. Soweit ich weiß, wird unter anderem der Gesundheitsminister hinfliegen.

Gab’s für dich auch etwas Neues neben all dem Bekannten?

Ich habe bei allen drei Podiumsdiskussionen zugehört. Besonders interessant fand ich die dritte, da ging’s um mögliche Synergien zwischen verschiedenen globalen Bewegungen. Einer der Teilnehmer war Professor Jeffrey Sachs, unter anderem Berater für Ban Ki-moon. Er hat sich mit der Frage beschäftigt, wie man das nötige Geld für die HIV- und Aids-Prävention zusammenbekommt – und er sagt, dass genug Geld da ist, gerade im privaten Sektor. Man müsse es nur einsammeln und die Leute an ihre Verantwortung erinnern.