Stolpersteine in Baumschulenweg

Aus dem Rathaus

Broschüre zur Geschichte jüdischer Anwohner

Der ehrenamtliche Ortschronist Andreas Freiberg erforscht seit zehn Jahren die Schicksale jüdischer Anwohner in Baumschulenweg, die NS-Opfer wurden. Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, am 27. Januar, präsentierte er im Gemeindesaal der evangelischen Kirche Baumschulenweg eine Broschüre zu den 18 Baumschulenweger Stolpersteinen.

In seiner Präsentation berichtete Freiberg auch über Details aus seinen Forschungen:

„Oft wurde und werde ich mit der Bemerkung konfrontiert: „In Baumschulenweg gab es ja kaum Juden“ und „hier war doch nichts ...“. Die Volkszählung von 1933 ergab für Treptow einschließlich Baumschulenweg 428 jüdische Personen. Mittlerweile bin ich nur in Baumschulenweg bei über 90 Personen und Geschäften. Doch bei manchen weiß ich nur den Namen oder die Adresse. Zum Beispiel: Wer weiß etwas über das Kaufhaus Lewin in der Baumschulenstraße 18? Ich habe nur einen Eintrag im Jüdischen Adressbuch von 1931, kein Foto, keine Anzeige, nichts. Es gibt Erinnerungen älterer Baumschulenweger, die mir aus ihrer Kindheit sagten: „Ich habe damals gern mit einem Mädchen aus der Scheiblerstraße oder der Marienthaler Straße gespielt. Dann war die gesamte Familie auf einmal weg. Später erfuhr ich, dass die Eltern Juden waren.“ Das sind so Beispiele von ersten Hinweisen, wo ich darauf aufbauend versuche, mehr zu diesen Namen zu finden und das konkrete Einzelschicksal zu erforschen.“

Doch Freiberg weiß auch Details zur Geschichte der Familien.
„Viele lebten schon seit Jahrhunderten hier oder kamen erst nach 1918 im Zusammenhang mit den Veränderungen der Ländergrenzen nach dem Versailler Vertrag nach Deutschland. Manche lebten religiös entsprechend ihres Glaubens.
Manche ließen sich sogar christlich taufen, konkret hier in Baumschulenweg!“

Etliche hatten Geschäfte, die bis heute existieren, beispielsweise:

  • die Sternapotheke gehörte dem jüdischen Apotheker August Otto,
  • im Schmuck- und Uhrengeschäft Gäbler war das jüdische Schuhgeschäft Schindler,
  • das Wäschegeschäft „Prisma-Moden“ hatte den Namen „Kaufhaus Hermann Bry“
  • im Kosmetikstudio „Beauty-Express“ war die Zoohandlung Albert Byck

Die Broschüre enthält Details, was aus den Menschen wurde. Einige konnten fliehen, andere wählten den Freitod. Wieder andere wurden nach Auschwitz, Theresienstadt oder andere KZs verschleppt, wo die meisten ermordet wurden.

Die jetzt vorgestellte Broschüre enthält jeweils nur einen kleinen Teil der Rechercheergebnisse zu den einzelnen Personen und bezieht sich ausschließlich auf diejenigen, wo bisher Stolpersteine verlegt wurden.
Sie wurde finanziert von der Kiezkasse Baumschulenweg und Frau Katalin Gennburg, Abgeordnete der Linken im Abgeordnetenhaus Berlin. Es soll eine Informationsbroschüre sein, sie wird nicht verkauft, allerdings zielgerichtet verteilt. So erhalten alle Bewohner derjenigen Häuser eine, vor deren Haus sich ein Stolperstein befindet. Die Auflage betrug 1.000 Stück.


Dieser Artikel erschien zuerst in Aus dem Rathaus vom 02.2019

Aus dem Rathaus ist die monatlich erscheinende Zeitung der BVV-Fraktion DIE LINKE, in der über aktuelle Themen der Bezirksversammlung und Kommunalpolitik berichtet wird. Sie wird als Einleger im Blättchen flächendeckend im Bezirk verteilt. Beide sind zudem auch kostenlos online erhältlich.

Um regelmäßig über die Neuerscheinung von Aus dem Rathaus und Blättchen informiert zu werden, abonnieren Sie unseren Newsletter oder folgen Sie uns auf Facebook, Twitter oder  Instagram.