Pro und Contra zur Nachverdichtung Kietzer Feld

Aus dem Rathaus
Treptow-Köpenick

Bürgerinitiative wehrt sich gegen Baustelle für mehr Wohnungen im bisherigen Wohngebiet

Berlin braucht mehr Wohnraum. Das gilt auch für Treptow-Köpenick. Ein möglicher Weg ist die „Nachverdichtung“, also Bau innerhalb eines Wohn­gebietes.

Die Historikerin und Autorin Susanne Willems erläutert die Positionen die u.a. von der Bürgerinitiative Kietzerfeld vertreten werden.

Uwe ­Doering erläutert als Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Bauen der BVV und Sprecher der Linksfraktion die Situation und die Möglichkeiten.

Der verantwortliche Stadtrat dafür wird übrigens von der SPD gestellt, die in der BVV bislang nicht auf die Initiativen der LINKEN eingeht.

Zerstörung eines Wohngebiets?

Neue Wohnungen oder alten Baumbestand

Ob billig oder teuer - falsch ist Nachverdichtung, wenn diese ein Wohngebiet zerstört, das sich 60 Jahre als lebenswert bewährt hat: das Wohngebiet Kietzer Feld zwischen Dregerhoffstraße und Lienhardweg im Süden Köpenicks entlang der Wendenschloßstraße und beidseits der Grünen Trift.

Südlich „Zur Nachtheide“ gehören 20 der 22 schlanken viergeschossigen Wohnblöcke mit 880 Wohnungen der landeseigenen degewo.

Am 1. Oktober 2019 stellte sie erstmals ihre bereits ein Jahr verschwiegene Planung vor, die Grün- und Spielflächen und die Garagenareale mit 16 Fünfgeschossern zuzustellen und alle Wohnblöcke des Bestands um ein Geschoß aufzustocken.

Ein planerisches Plus von 450 Wohnungen für den Berliner Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 – eine Horrorvision gerade für die ältesten Bewohner*innen des Kietzer Felds, die liebgewonnenen Baumbestand fallen sehen und Jahre ihres Lebensabends in einer Großbaustelle zubringen sollen. Autoren der Vorplanung sind Architekten und Ingenieure der Berliner Firma Dahm, die orientiert an der maximalen Bebaubarkeit von Grundstücken der degewo bereits am Straßenbahnbetriebshof eine grünlose, schrankenbewehrte Hinterhofbebauung ermöglicht haben.

Den Mieterbeirat hatte die degewo Anfang 2019 informiert und zum Stillschweigen verpflichtet. Die Aufstockung im 3. Bauabschnitt soll die degewo, so Bezirksstadtrat Hölmer, auf unbestimmte Zeit verschoben haben. Den 2. Bauabschnitt auf Garagen- und Genossenschaftsland der WBG Wendenschloß mußte die degewo um einen zehnten Fünfgeschosser kürzen. Ein Spielplatz und acht Linden sind gerettet. Mit dem 1. Bauabschnitt aber erklärt die degewo das gesamte Terrain zu verwüstbarem Baugrund, will im Herbst den Baumbestand fällen und eine Kette von neun Fünfgeschossern an die Stelle von Grün- und Spielflächen setzen.

Die BVV ersuchte am 12. Dezember 2019 in einstimmigem Beschluß das Bezirksamt, die degewo von genau dieser Planung abzuhalten. Hölmer und Bezirksbürgermeister Igel beteuerten umgehend die Ohnmacht des Bezirksamts gegenüber der degewo. Die Bürgerinitiative Kietzer Feld und Wendenschloß erwartet deshalb von der BVV am 27. August 2020 einen zweiten Beschluß, der das Bezirksamt auffordert, dem erwarteten Bauantrag für diesen 1. Bauabschnitt die Genehmigung zu versagen, und zwar unter Verweis auf §§ 13(2) und 17(1) des Bezirksver­waltungsgesetzes, so daß die BVV ­wi­drigenfalls die Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 12(3) BezVwG in eigener Zuständigkeit treffen kann. Die Linke muß jetzt im Bezirk eindeutig handeln!

Die Bürgerinitiative Kietzer Feld und Wen­denschloß wirbt gemeinsam mit den Anliegern im und am Wohngebiet für eine städtebauliche Erhal­tungs­verordnung und bestreitet, dass das Bauvorhaben „Neubau einer Wohnanlage einschließlich Außenanlagen“ nach § 34 Baugesetzbuch genehmigungsfähig ist, weil es sich weder nach Art und Maß in die Umgebung einfügt noch verkehrlich hinreichend angebunden ist (www.bi-kietzerfeld.de).

Zudem schließt der gesetzliche Grundsatz des Planerhalts dessen Anwendung überhaupt aus, weil die Anlage des Wohngebiets auf zuvor landwirtschaftlichem Grund Ende der 1950er Jahre keinen „unbeplanten Innenbereich“ übrig gelassen hat.

Die Linke im Bezirk kann und muss verhindern, dass das Bezirksamt der degewo den umstrittenen 1. Bauabschnitt in Kürze wie angekündigt genehmigt, und das auch noch fiktiv: ohne jegliche Prüfung durch Zeitablauf.

Susanne Willems,
Mitglied BO Wendenschloss

Mehr Wohn- und Lebensqualität

Frühzeitige Mitwirkungsmöglichkeit der Mieter

In Berlin und so auch in unserem Bezirk gibt es einen großen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen. Wer sich um eine neue Wohnung bemüht, wird feststellen, dass Wohnungen mit Mieten an­geboten werden, die von vielen Haus­halten nicht bezahlbar sind.

Der Mietendeckel ist ein Ansatz, die Mieten zu deckeln und bezahlbar zu ­gestalten, das funktioniert aber nur, wenn zu­sätzlich genügend bezahlbare Wohnungen zur Verfügung gestellt ­werden. Flächen, die in Berlin und im Bezirk für den ­Wohnungsbau zur Verfügung stehen, ­werden knapper. Bauflächen wer­den auch für soziale Einrichtungen, für Grün oder für Gewerbe ­ge­­braucht. Diese ­Flächenkonkurrenz führt natürlich zu höheren Bodenpreisen – oft auch durch Spekulation – und diese wiederum verteuern den Wohnungsbau und somit auch die Mieten.

Was liegt also näher, als dass das Land Berlin und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften auf eigenem Grund und Boden bauen. Da gibt es neben freien Bauflächen aber auch Flächen, auf denen schon Wohnungen stehen. Bei der Verdichtung von Wohnanlagen und Kiezen sollte allerdings die zusätzliche Bebauung die bisherigen guten und ­gesunden Wohnverhältnisse bewahren. In unserem Bezirk gibt es Mieterini­tiativen, die sich gegen eine massive Nachverdichtung der Wohnanlagen einsetzen. Nicht nur weil sie eine Verschlechterung der bisherigen Wohnverhältnisse etwa durch Verschattung, sondern auch negative Folgen auf die soziale Infrastruktur befürchten.

Mit einigen Mieterinitiativen – so auch die im Kietzer Feld – stehen Mitglieder unserer BVV-Fraktion im ständigen Kontakt. Auch auf einer Sondersitzung des Ausschusses für Stadtplanung hat die degewo ihre Pläne den Mieterinitiativen vorgestellt, erörtert und mit ihnen diskutiert. Aus diesem Meinungsaustausch sind Anträge für die BVV und ­diverse schriftliche Anfragen an das ­Bezirksamt entstanden. Bei diesen Initiativen ging es bei der Nachverdichtung in Wohnanlagen um den Erhalt der bisherigen Wohnqualität sowie um den Erhalt von möglichst viel Grün und der bisherigen Aufenthaltsqualität in den Grünanlagen. Aber auch um eine partizipative Beteiligung der Mieterinnen und Mieter bei den Planungen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Mieterinnen und Mieter sollten frühzeitige Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Planung, Entwicklung und Ausführung der Bauvorhaben haben.

Der Wohnungsbau und der damit ­zusammenhängende Zuzug von neuen Mieterinnen und Mietern hat natürlich Folgen auf die soziale Infrastruktur und den Verkehr. Deshalb setzen wir uns in der BVV mit Anträgen und Anfragen an das Bezirksamt u. a. für mehr Schulen und Kitas sowie mehr Jugend- und Senioreneinrichtungen ein. Ebenso beim Thema Verkehr und Mobilität für alle. Schwerpunkt ist dabei der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) durch eine bessere barrierefreie Erreichbarkeit und dichtere Taktzeiten.

DIE LINKE wird weiter mit den Anwohnerinitiativen und Wohnungs­bau­gesell­schaften im Dialog bleiben und nach Lösungen suchen. Wichtig ist es dabei aber auch die entsprechenden politischen Mehrheiten zu organisieren.

Uwe Doering,
Sprecher für Stadtentwicklung der BVV-Fraktion DIE LINKE