„Ist ja wie früher“

Aus dem Rathaus

30 Stunden Stromausfall in Köpenick

Kurz nach 14 Uhr, die Nachbarin klopft an der Haustür. „Habt ihr auch keinen Strom?“ Tatsächlich Stromausfall. „Macht nüscht, wird bald wieder einjeschaltet“, vermute ich. „So ein Stromausfall kann ja nicht lange dauern.“ Die Stunden vergehen, langsam wird es dunkel. Zum Glück sind Kerzen im Haus und wir haben ein batteriebetriebenes Radio. Über das Radio erfahren wir, in dieser Nacht wird es nichts mehr mit Strom. Bei Bohrarbeiten an der Allende-Brücke wurde ein Stromkabel samt Reservekabel zerstört, die Reparaturarbeiten können sich bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages hinziehen. Dunkel, kein Licht, keine Heizung, und nun auch noch kein Festnetz und kein Mobilfunkanschluss. Eine eigenartige Atmosphäre in den Straßen des Allende-Viertels. Was auffällt, Polizei ist präsent. Wie muss es den Menschen früher gegangen sein, als es keinen Strom, keine Heizung, kein Telefon gab?

Der nächste Morgen, immer noch kein Strom. Wohnung kalt, Wasser aus dem Hahn lauwarm. Der Wunsch nach einem heißen Kaffee macht sich deutlich bemerkbar und telefonieren müsste ich auch mal. „Fahren wir zum Einkaufszentrum nach Gosen“ sagt meine Frau. „Da gibt es einen Bäcker, und wir können einen Kaffee trinken. Ich: „Gute Idee, unterwegs können wir im Auto die Handys aufladen und in Gosen wichtige Telefongespräche führen.“ Irgendwie musste ja geklärt werden, ob am Abend die BVV-Ausschusssitzung stattfinden kann oder nicht. Der Plan mit dem Handy war gut, der mit dem Kaffee weniger. Lange Warteschlange beim Bäcker. Menschen mit Bechern und Thermosflaschen in der Hand stehen an und hatten wohl den gleichen Gedanken wie wir. Halb Müggelheim schien hier anzustehen. „Macht nüscht“, sage ich, „fahren wir halt wieder zurück, dann wird das Handy weiter aufgeladen und um 15 Uhr soll ja der Spuk vorbei sein.“

In der Mittagszeit verdichtet sich die Information, mit 15 Uhr wird auch nichts mit Strom, eher in den Nachtstunden. Ich bin am Verzweifeln, ich will endlich einen Kaffee oder einen Tee, egal was, nur etwas Aufwärmendes. Dann kommt mir die Idee: „Ich kaufe einen Campinggaskocher.“ Ab über die Allende-Brücke- natürlich zu Fuß - rüber zum Baumarkt. Viele Zuschauer an der Baustelle, hier versucht „Stromnetz Berlin“ das Kabel zu reparieren. Ernste Gesichter bei den Mitarbeitern, ich ahne, läuft wohl nicht rund mit der Reparatur.

Im Eingangsbereich des Baumarktes treffe ich einen Nachbarn. „Wat machst du denn hier?“ fragte er mich. „Haste jehört, vor morjen früh jibts keinen Strom.“ Ich sagte ihm, dass ich auch so etwas gehört habe und ich mir deshalb einen Campinggaskocher kaufen will. „Pech jehabt, die Dinger sind ausverkauft, ’nen Grill kannste dir kaufen. Ein Angebot wie im Hochsommer.“ Ich also zum nächsten Baumarkt. Da habe ich dann einen kleinen Gaskocher bekommen. „Endlich einen heißen Kaffee“, freue ich mich auf dem Rückweg.

Das Gerät auf dem Balkon aufgebaut und einen kleinen Topf mit Wasser aufgesetzt. Ein Nachbar kommt vorbei und fragt, „wat hast du denn da?“ „Ich kann endlich Kaffee kochen, willste auch einen?“ Ein weiterer Nachbar kommt hinzu. Die Familie hat ein kleines Kind. „Ich würde für die Kleine gerne einen Brei oder einen Tee warm machen.“ „Ich kann dir gerne den Kocher ausleihen.“ Gesagt, getan. Meine Frau und ich bekamen endlich einen heißen Kaffee, die Kleine ihren Brei und der ältere Nachbar meinte: „Ist ja wie früher“. Kurz darauf gab es wieder Strom und alles war wieder wie sonst auch.

Uwe Doering