Die Geschichte der langen Nase

Carsten Schatz im Blättchen über den von der Koalition aus SPD und CDU verordneten Personalabbau in den Bezirken und das doppelte Spiel der Treptow-Köpenicker Sozialdemokraten: "Pinocchio oder Buratino hatten, trotz ihrer fatalen Vorliebe zu lügen, einen Vorteil. Wenn sie es taten, wuchs ihre Nase und alle konnten es sehen. "

Pinocchio oder Buratino hatten, trotz ihrer fatalen Vorliebe zu lügen, einen Vorteil. Wenn sie es taten, wuchs ihre Nase und alle konnten es sehen. Aha. Nun haben wir in Treptow-Köpenick die Situation, dass der schwarz-rote Senat, den Bezirken in Berlin einen dramatischen Personalabbau verordnet hat. Für unseren Bezirk sind das 306 Stellen im Bezirksamt, die bis 2016 abgebaut sein sollen. Wir reden von den Menschen, die die sog. Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit bewilligen, den Kita-Gutschein ausstellen, Grünanlagen pflegen oder einer Familie helfen, wenn sie in schwierigen Situationen nicht klar kommt. Leistungen, die wir alle mal benötigen könnten, die zu unseren Grundbedürfnissen zählen. Dafür hat sich der Begriff der öffentlichen Daseinsvorsorge durchgesetzt. Er meint alle diese Leistungen. 

Nun haben bis jetzt 11 von 12 Berliner Bezirken mit der Senatsverwaltung für Finanzen, Senator ist der Herr Nußbaum – ja, der mit dem Geld in der Schweiz – Vereinbarungen abgeschlossen und in den Abbau des Personals eingewilligt. Alle, bis auf einen – unseren Bezirk, Treptow-Köpenick. Im Bezirksamt herrschte Einigkeit darüber, dass man sich den Sparbeschlüssen des Senats nicht beugt. Soweit so gut. Die Sache hat einen kleinen Schönheitsfehler: Der Bürgermeister, Herr Igel, ist zugleich Vorsitzender der SPD in Treptow-Köpenick. Und der trifft sich Dienstags mit „seinen“ Abgeordneten und seinem Bezirksamtskollegen und anderen wichtigen Sozis, um die Linie zu besprechen. Nun scheint die Linie bei der SPD nicht klar oder der Herr Igel nicht so durchsetzungsfähig zu sein, „seine“ Abgeordneten im Abgeordnetenhaus haben alle gegen einen Antrag gestimmt, den Personalabbau abzusagen. In namentlicher Abstimmung, es ist nachlesbar. Frau Haußdörfer hat an der Abstimmung nicht teilgenommen. Warum spielt die SPD den Bürgerinnen und Bürgern und den Kolleginnen und Kollegen im Bezirksamt hier Theater vor? Und noch dazu schlechtes.

Doch weiter. Der Senat teilt auf eine Kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus mit, alle Bezirke bis auf einen haben Vereinbarungen abgeschlossen – bis hierhin nichts Neues – diese können nun auch wieder einstellen, wenn Beschäftigte aufhören, in Rente gehen oder die Arbeitsstelle wechseln. Unser Bezirksamt kann das nicht. Was für ein Wahnsinn! Stellen Sie sich vor: Dort, wo Sie arbeiten, wird angekündigt, dass jede fünfte Stelle wegfällt. (Eins, Zwei…) Hätten Sie nicht auch das Bedürfnis zu schauen, ob es anderswo nicht besser ist und wenn sich die Gelegenheit ergibt, auch gleich zuzuschlagen? Das passiert in unserem Bezirksamt. Über 60 Stellen sind im letzten Jahr nicht besetzt worden, weil der Senat einer Neubesetzung nicht zustimmt. Beschäftigte gehen in Rente oder bewerben sich woanders hin. Die Arbeit in den Ämtern bleibt gleich und muss von weniger Kolleginnen und Kollegen geschafft werden. Arbeitsverdichtung nennt man das. Blättchen hat im Dezember drauf hingewiesen: Leistungen können nicht mehr erbracht werden, Bürgerinnen und Bürger stehen vor verschlossenen Türen. Und je mehr die Verunsicherung der Beschäftigten zunimmt, desto größer wird der „wilde Personalabbau“ sein.

Nun beschließt die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Die Berlinerinnen und Berliner haben das Recht auf eine funktionierende Verwaltung: sie ist für das Gemeinwesen wichtig, weil sie die lokaleDaseinsvorsorge garantiert.“ Vom Senat, der übrigens mit den Stimmen der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus gewählt wurde, nichts Neues. Der Bezirk hat zu liefern. Schade, dass die lange Nase nur bei Pinocchio oder Buratino funktionierte. Es wäre auch für Sie einfacher!

Carsten Schatz

Artikel im Blättchen im Februar 2013