Demokratie mit Abstand

Aus dem Rathaus

Bezirksverordnetenversammlung arbeitet weiter

Unmittelbar nach den ersten Corona ­bedingten Kontaktbeschränkungen im März haben sich die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung verständigt, den Sitzungsbetrieb für einen Monat auszusetzen. Dabei sind schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Schon die Öffnung oder Schließung von Kinderspielplätzen ist jetzt keine triviale Angelegenheit. Sie muss hinterfragt und bewertet werden, damit die Argumente von Befürwortern und Gegnern einer Maßnahme zur Geltung kommen und so Akzeptanz erreicht werden kann.

Nach den Osterferien hat die BVV ihren Betrieb wieder aufgenommen. Fraktions- und Ausschusssitzungen finden seither per Videokonferenz statt. Das ist ungewohnt und einem solchen Verfahren wohnen auch ein paar Startschwierigkeiten inne und die eine oder andere Digitalisierungslücke in den Amtsstuben wurde sichtbar. Aber es ermöglicht eine Kontrolle des Bezirksamtes. Auch die Öffentlichkeit ist dabei nicht völlig außen vor, denn Interessierte können sich im Rathaus melden, um einen Gastzugang für diese Videokonferenzen zu erhalten.

Die Plenarsitzung der BVV im Mai soll bei einer entsprechend den Kräfteverhältnissen reduzierten Anwesenheit durchgeführt werden. Statt 55 gewählten Verordneten sollen nur 28 im Saal präsent sein, ein sogenanntes Pairing-System, das in einigen Parlamenten auch jenseits von Corona-Zeiten zur Anwendung kommt. Dadurch soll die Einhaltung der Abstandsregeln gewährleistet und Verordneten, die wegen Vorerkrankungen und/oder ihres Alters zur Risikogruppe gehören, ermöglicht werden, der Sitzung fernzubleiben, ohne die Mehrheitsverhältnisse in der BVV auf den Kopf zu stellen. Auf ähnliche ­ Weise haben sich auch die Kommunalpolitikerinnen und -politiker in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte verständigt. Einen anderen Weg ist die BVV Pankow gegangen. Dort wichen die Verordneten auf einen größeren Saal aus, der sich nicht einmal im Bezirk befand. Sie haben in der Aula der Max-Taut-Schule in Lichtenberg bei voller Besetzung unter Beachtung des Abstands getagt.

Es liegt auf der Hand, dass Videokonferenzen und Pairing-Vereinbarungen natürlich keinen normalen Sitzungsbetrieb ersetzen können und demokratietheoretisch Probleme aufwerfen und es auch untereinander Vor- und Nachteile gibt. In der aktuellen Lage wird der Widerspruch zwischen der notwendigen sozialen Distanz einerseits und Öffentlichkeit und der Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung in Form von Gremienarbeit andererseits letztlich nie ganz befriedigend aufzulösen sein.

Auch die Fraktion DIE LINKE in Treptow-Köpenick fordert, dass dieses Pairingsystem nicht zur Regel werden darf. Zwar darf es keinen Druck auf Verordnete, die der Risikogruppe angehören, geben, an Präsenzsitzungen teilzunehmen. Deshalb sollten diese auch künftig durch Teilnahmeverzicht in anderen Fraktionen ausgeglichen werden. Aber eine stärkere Reduzierung ist nicht auf längere Zeit vertretbar. Deshalb müssen auch größere Räume für die Sitzungen der BVV bereitgestellt werden.

Selbstverständlich war das Bezirksamt auch in der Zwischenzeit nicht von Berichtspflichten entbunden und musste schriftliche Anfragen von Verordneten beantworten. In der Demokratie darf es keinen parlamentarischen shut down geben, denn Verwaltungshandeln ist ständig von gewählten Volksvertreter­innen und -vertretern zu überprüfen und zu kontrollieren. Das gilt auch für den Berliner öffentlichen Dienst, der, obwohl immer mal wieder gern verspottet, seine Leistungsfähigkeit und Belast­barkeit demonstriert hat. Dafür gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank.

Philipp Wohlfeil,
Fraktionsvorsitzender DIE LINKE Treptow-Köpenick