AfD-Stadtrat gewählt

Die AfD ist im Parteienspektrum die größte Gefahr für unsere Demokratie. Der NPD etwa ist es wegen ihres aggressiven Auftretens und ihrer kaum verhüllten Nähe zum Nationalsozialismus nie gelungen, Stimmen über das rechtsextreme und Protestspektrum hinaus zu gewinnen. Die AfD schafft es dagegen eine Brücke von harten Nazis bis hinein in konservative, gut situierte, esoterische, abstiegsbedrohte und abgehängte Milieus zu schlagen. Dadurch hat sie bei Wahlen ein vergleichsweise großes Stimmenpotential. Selbstverständlich darf eine Partei, die gegen Schwache hetzt und Rechtsextreme in ihren Reihen duldet, keinen Einfluss in diesem Land erlangen und muss aus Regierungen ferngehalten werden.

Die Bezirksämter in Berlin werden, anders als der Senat oder die Bundesregierung, entsprechend dem Stimmenanteil bei der BVV-Wahl gebildet. Im Ergebnis der Wahlen hat die AfD das Vorschlagsrecht für jeweils einen Stadtratsposten in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Treptow-Köpenick. Die BVV in Treptow-Köpenick hat nun als erste der genannten Bezirke einen AfD-Stadtrat passieren lassen. Die Fraktion DIE LINKE hatte sich entschlossen, ihn zwar nicht zu wählen, durch Enthaltung eine Wahl aber auch nicht aktiv zu verhindern. Eine Sympathiebekundung war das nicht, im Gegenteil.

Dieser Entscheidung lag die schwierige, aber letztlich kühle Abwägung zugrunde, was der AfD mehr nutzt oder schadet. Ein schwacher Stadtrat in Amt und Würden oder eine Partei, die sich fünf Jahre als "Opfer der Altparteien" inszenieren kann, weil ihr ein Recht infolge des Wahlergebnisses vorenthalten wird.

Diese Überlegungen waren auch die Grundlage für das Agieren nach der vorangegangenen Wahl, nach der die AfD stadtweit alle ihr zustehenden Posten in den Rathäusern besetzen konnte. Diese Strategie ist aufgegangen. Mit einem fetten Minus von 8,2 Punkten war die Partei die klare Verliererin in Treptow-Köpenick, nicht zuletzt, weil es der AfD auch gar nicht gelingen kann, die einander widersprechenden Interessen der unterschiedlichen genannten Milieus in eine auch nur halbwegs konstruktive Politik zu übersetzen. Deshalb ist ihr großes Stimmenpotential nur scheinbar ein Vorteil, der an der Wirklichkeit zerbricht, wenn die AfD nicht unfreiwillig in ihrem Leidensmythos aufgeblasen wird.

Philipp Wohlfeil, Vorsitzender der BVV-Fraktion DIE LINKE


Dieser Artikel erschien zuerst in Aus dem Rathaus vom 01.03.2022

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