Gysi meint ... Kein Fußballfest

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In wenigen Wochen beginnt die Fußball-WM in Katar. Und irgendwie will bei mir diesmal keine richtige Vorfreude aufkommen. So sehr ich das Bestreben der FIFA verstehe, mit den Weltmeisterschaften die Faszination des Fußballs auch in Regionen zu verbreiten, wo er nicht unbedingt zu den massentauglichen Kern­sportarten zählt, so falsch finde ich dennoch die Entscheidung für Katar. Sie entpuppt sich als letztlich vom Profitstreben dominiert, hält Kriterien des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit nicht stand und ist angesichts der Tausenden Todesopfer unter den Arbeitern, die die Stadien errichtet haben, ein menschliches und soziales Fiasko.

Ganz offenkundig hatten Gesundheit und Leben der Arbeiter keinerlei Stellenwert für die katarischen Bauherren. Die FIFA hätte spätestens, als die ersten Berichte über die großen Opferzahlen kamen, ein Stoppzeichen setzen müssen. Das nicht getan zu haben, wird diese Weltmeisterschaft von vornherein belasten. Wie soll man sich über Tore und Siege oder den Weltmeistertitel freuen, wenn man weiß, dass man im übertragenen Sinn auf den Gräbern von 15.000 Menschen spielt?

Ich halte dennoch wenig von Boykott-Aufrufen und fände es viel besser, wenn sowohl die Spieler als auch die Offiziellen als auch unsere Zuschauerinnen und Zuschauer vor Ort mit vielen Menschen aufklärend sprächen. Man kann auch an eine Schweigeminute vor jedem Spiel denken oder an schwarze Armbinden. Ein Gutes hat diese Vorweihnachts-WM vielleicht doch. Die nationalen Fußball-Ligen müssen zu ungewohnter Zeit eine lange Pause einlegen. Da könnte man darüber nachdenken, ob man die Spielpläne nicht künftig jahreszeiten- und damit auch klimagerechter gestalten sollte, so wie es in Skandinavien schon lange praktiziert wird. Fußball zu spielen und anzuschauen macht bei wärme­ren Temperaturen auch mehr Spaß.


Dieser Artikel stammt aus dem blättchen vom November 2022. Die Zeitungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion können hier runtergeladen werden.