Für eine neue Solidarität - Thesen zur Situation der Partei Die Linke
Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament sowie zu den Landtagen in Thüringen und Sachsen, nimmt die Diskussion über das „wie weiter“ in der Partei Die Linke weiter Fahrt auf. Auch im Hinblick auf den im Oktober stattfindenden Bundesparteitag. Wir veröffentlichen hier kurze Ausschnitte aus einem langen Aufsatz der Co-Vorsitzenden der Partei Janine Wissler. Der vollständige Text ist auf der Internetseite https://gleft.de/5Id zu finden.
Die Entwicklung der Linken findet nicht im luftleeren Raum statt. Die gesellschaftlichen Bedingungen und Auseinandersetzungen sind andere als vor fast 20 Jahren, als sich PDS und WASG zur Linken vereinigten. Linke Kräfte waren meist dann stark, wenn es gesellschaftliche Stimmungen und Bewegungen gab, die sie getragen haben – wie zu unserer Gründungszeit. Aber: Wir könnten trotz schwieriger Rahmenbedingungen deutlich besser dastehen. Wir müssen uns selbstkritisch fragen, was wir hätten anders machen sollen, anders machen müssen. Denn eine stärkere Linke hätte der Rechtsentwicklung mehr entgegensetzen können. In dieser schwierigen Lage hat niemand eine Patentlösung, das ist auch nicht Anspruch dieser Thesen.
In der Gründungsphase der Linken und bei der Bundestagswahl 2005 wurden wir getragen von den Protesten und der breiten Ablehnung der Agenda 2010 und der Hartz-Reformen. Die Bundestagswahl 2009 war geprägt von den Verwerfungen an den Finanzmärkten und der Krise des Neoliberalismus. Bei all diesen – damals wahlentscheidenden und zentralen – Themen hat Die Linke gesellschaftliche Mehrheitspositionen vertreten. Wir konnten von der Frustration über die anderen Parteien profitieren, als neue Protestpartei an Profil gewinnen und bei Wahlen Erfolge verbuchen.
Das hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Wir erlebten den Siegeszug der Austeritätspolitik mit der Einführung von Schuldenbremsen. Die zentralen Auseinandersetzungen verlagerten sich durch die Debatte über die „Flüchtlingskrise“– trotz der großen gesellschaftlichen Solidarität zu Anfang -, durch Corona, den Krieg in der Ukraine und die schwindende Bedeutung des Themas Klimaschutz.
Für mich ist es eine der zentralen und offenen strategischen Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen: Wie schaffen wir es als Linke wieder mit grundsätzlicher linker System- und Gesellschaftskritik durchzudringen in einer Zeit, in der der Staat und seine Institutionen Gefahren von rechts ausgesetzt sind? Wie schaffen wir den Spagat (gemeinsam mit anderen Parteien), demokratische Errungenschaften und Institutionen des bürgerlichen Staates gegen rechts zu verteidigen und dennoch eine wahrnehmbare, grundsätzliche Kritik zu formulieren?
Viele hatten erwartet, dass die Abspaltung von BSW unsere Mitgliedschaft massiv reduzieren würde. Das ist nicht eingetreten. Zwar gab es Austritte, aber fast 8.000 Neueintritte seit der Abspaltung, so dass Die Linke heute deutlich mehr Mitglieder hat als vor der Abspaltung.
Es ist unsere Aufgabe, wieder Hoffnung auf Veränderung zu wecken bei jenen, die sich einen funktionierenden Alltag und eine Work-Life-Balance nicht einfach durch Geld kaufen können.
Nur wenn die Partei wieder mit klarer Stimme spricht, können wir unsere zentralen Aufgaben erfüllen: Die schreiende soziale Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft und der Politik der Regierung, den Klassenkampf von oben zum gesellschaftlichen Thema machen, Alternativen aufzeigen und die Interessen der Beschäftigten zu verteidigen.
Dieser Artikel stammt aus dem blättchen vom September 2024. Die Zeitungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion können hier runtergeladen werden. Beide Zeitungen gibt es auch als kostenloses Abo.