„Die DDR ist nachhalltig“ - Buchtrilogie zu 40 Jahre DDR abgeschlossen

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Wieder so doppeldeutig ist der Titel des neuen Buchs der Autorinnen Ellen Händler und Uta Mitsching-Viertel, die nach den  erfolgreichen Büchern „Unerhörte Ostfrauen“ und „ProblemZone Ostmann?“ mit dem letzten Band „Die DDR ist nachhalltig“ ihre Trilogie abschließen und damit einen wichtigen Beitrag zur gerechten, historisch betrachteten Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit 40 Jahren DDR leisten. 81 Männer und Frauen der alten Generation aus der DDR berichten in narrativen Interviews über ihr Leben in zwei gesellschaftlichen Systemen. Sie wurden im Osten sozialisiert, erlebten den Umbruch mit der Wende und einen Neuanfang im Westen. Ihre Berichte zeigen eine individuelle Sichtweise im Rückblick auf 40 Jahre normalen DDR-Alltag im Vergleich zum Leben 30 Jahre danach. Insgesamt 70 Jahre deutscher Geschichte.

Nunmehr analysierten sie diese biografischen Lebensläufe, fragten nach den gesellschaftlichen Grundlagen der DDR, um herauszufinden, ob in ihnen eine spezifische Ostidentität zu erkennen ist, eine Identität, die den Osten und besonders die Ostdeutschen dieser Generation in 70 Jahren prägte und noch immer ausmacht. In die Betrachtung ziehen sie ihre 135 Lesungen, die sie in allen 16 Bundesländern seit 2019 absolviert haben, ein. Die gesammelten Stimmen sind Zeitzeugnisse, die im aktuellen Diskurs zur Ostidentität zählen und gehört werden sollten. Sie stellen mit diesem dritten Band heraus, dass die Konstruktionen einer Ostidentität nicht nur bestehen, sondern auch nachhaltig sind. Die biografischen Erfahrungen im Sozialismus bestimmen bis heute große Teile des Lebens und wirken auch nach außen – ob im Arbeitsprozess oder in der Familie. Dabei trafen sie eine Auswahl gesellschaftlicher Bereiche, die vor allem im Fokus des aktuellen politischen Erinnerungsdiskurses stehen und für die sie in 11 Kapiteln die Ostidentität als biografische Erfahrung darlegen. Dazu gehören u.a. Arbeit und Familie in der DDR einschließlich Kinderbetreuung von der Krippe bis zur Schule, Analysen und Wertungen über das Demokratieverständnis des Ostens, das Bildungssystem, das widersprüchliche Leben mit Staatssicherheit, Kirche und Armee sowie die biografischen Brüche der Menschen mit der Wende. Und all das ohne verklärenden Blick, ohne Nostalgie.

Damit sind sie immer noch die einzigen Ostlerfrauen, die es gewagt haben, ihr typisch Ostdeutsches herauszufinden, das die alte Generation ausmacht. Sie stellen heraus: „Der Ossi ist anders, will es auch bleiben“, und ist stolz darauf, zwei gesellschaftliche Systeme erlebt zu haben, vergleichen zu können und dem Wessi etwas entgegenzusetzen. Die Zeit der Diskriminierung und Aberkennung seiner Lebensleistungen ist vorbei. Sie legen vielmehr Wert darauf, in der DDR ein erfülltes Leben, in Arbeit mit hoher Qualifikation, ohne Armut und Obdachlosigkeit, trotz Diktatur des Proletariats, die der Westen nur negativ sieht, gelebt zu haben.

Gerade in der letzten Zeit werden ostdeutsche Biografien mehr und differenzierter als noch in den ersten Wendejahren zur Kenntnis genommen. Sie erinnern daran, wie Ostdeutsche allen Unterstellungen zum Trotz, zur Wende demokratische Entscheidungen trafen, sodass die westliche Meinung, „Ostdeutsche können nicht Demokratie“ bzw. sie sind „diktaturgeschädigt“ ad absurdum geführt wird. „Es gab Demokratieerfahrungen in der DDR, die Ostdeutsche bis heute vermissen und das betrifft nicht nur das kultivierte Eingabesystem, sondern vor allem betriebliche Mitbestimmung, die als direkter denn heute wahrgenommen wird.“ (nd Der Tag 1.9.24 Karlen Vesper).

Auf 170 Seiten zeigen die beiden Autorinnen, was Ostidentität ausmacht, mit anderen Lebenserfahrungen, Sitten und Gebräuchen, mit Mentalitätsunterschieden, einem einfach Anderssein. Warum sollten sie das eigentlich nicht?

Ellen Händler, Uta Mitsching-­Viertel: Die DDR ist nachhalltig – Eine Streitschrift zur Ostidentität. ibidem-Verlag Hannover,

ISBN: 978-3-8382-1897-7 Paperback, Preis: 10 €. Auch als e-book erhältlich: ISBN: 978-3-8382-7897-1 , 7,99€


Dieser Artikel stammt aus dem blättchen vom Dezember 2024. Die Zeitungen des Bezirksvorstandes und der Fraktion können hier runtergeladen werden. Beide Zeitungen gibt es auch als kostenloses Abo.

 

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